Vollgutpreise statt Leergutabgaben

Hartwig Thomas, 13.10.2017


Vollgutpreise statt Leergutgebühren

Pauschale Zwangsabgaben ohne Bezug zu Werken

Als Kleinunternehmen bezahlt die Enter AG, eine Kleinfirma auf dem IT-Sektor

In der Summe belaufen sich diese Abgaben auf 200 bis 2000 Franken pro Jahr und Mitarbeiter, je nach Menge gemeinfreier Filme und Musik, die wir digitalisieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Wir haben schon längst alle Zeitungen gekündigt, denn wir können uns nicht leisten, zusätzlich zu diesem Zwangsabonnement für Journaille, die wir in keiner Weise unterstützen würden, auch noch freiwillige Abonnemente an Medien unserer Wahl zu finanzieren.

Gebühren oder Kollektivstrafe?

Es handelt sich angeblich um Gebühren, die uns z.B. die Freiheit einräumen, sogenannte Pressespiegel in der Firma zu verteilen. Da wir gezwungen werden, die Medienschaffenden schon massiv zu überbezahlen, werden wir nicht noch deren Ergüsse lesen oder in Pressespiegeln verbreiten. In Wirklichkeit handelt es sich aber um eine illegale Kollektivstrafe für angebliche Schäden aus „Piraterie“, mit der die Kleinunternehmen in der Schweiz überhaupt nichts zu schaffen haben.

Kulturschaffende bekämpfen IT-Firmen

Diese Kollektivstrafe richtet sich einseitig gegen IT-Unternehmen, da diese für ihre tägliche Arbeit Speicherplatz und Netzwerkbandbreite benötigen. Ein Verzicht auf Netzwerk oder Speicher käme einem Berufsverbot gleich. Das ist umso stossender, als die Software-„Piraterie“ ein Vielfaches des Volumens der Medien-„Piraterie“ ausmacht. Diese wird vor allem von den Kulturschaffenden und den Verwertungsgesellschaften selber betrieben. Schon unser Videotex-Programm hat uns 1990 gemeldet, dass es von der SUISA illegalerweise eingesetzt wird. Noch heute verwendet etwa die ProLitteris freie Software auf ihrer Website, ohne sich an deren Bedingung zu halten, sämtlichen Code, den sie darauf aufbauend abgeleitet hat, wieder unter derselben Lizenz zu publizieren. Dies ist eine klare Urheberrechtsverletzung. Aber klugerweise hatten die Verwertungsgesellschaften den Vergütungsartikel im URG so gestaltet, dass Software aus der „Verwertung“ pauschaler Vergütungsrechte ausgeschlossen wurden. Denn sonst müsste heute eine Software-Verwertungsgesellschaft weitaus höhere Beträge von den Kulturschaffenden als Abgeltung für Schäden aus der Software-„Piraterie“ erheben, als die IT-Firmen heute an die Kulturschaffenden berappen müssen.

Mehr als die Hälfte für Leergut statt für Vollgut voller Werke

Von den rund 250 Millionen Franken, welche die Verwertungsgesellschaften pro Jahr einnehmen, stammen mehr als die Hälfte aus Zwangsabgaben, die keinen Bezug zu irgendwelcher Werknutzung oder Werkgenuss ausweisen. (Siehe “Zusammenstoss des Internets mit dem Urheberrecht” von Hartwig Thomas)

Klar, dass die Kulturschaffenden und Rechteinhaber fürs Nichtgelesenwerden bezahlt werden wollen. Das spart Vertrieb und Verkaufskosten. Mit den Leergutabgaben werden sie sogar für das Nichtschreiben belohnt. Je weniger Werke die Kulturschaffenden für Vollgutpreise verkaufen, desto höher fallen die Zwangsabgaben aus. Diese werden dann für exorbitante Löhne der Verwaltung der Verwertungsgesellschaften ausgegeben. (Der Ex-Chef der ProLitteris verlangte sogar während drei Jahren eine Million pro Jahr, was die Finanzaufsicht denn auch ein wenig zu dick fand …)

Ceterum Censeo

Die Verwertungsgesellschaften sollten ganz aus dem Urheberrecht gestrichen und so entstaatlicht werden. Niemand kann etwas dagegen haben, wenn sie als gewerkschaftlicher Zusammenschluss ihrer Genossenschafter deren Rechte an der Nutzung ihrer Werke privat „verwerten“. Die Selbstbedienung an den (IT-)Kleinunternehmen geht aber schon lange zu weit!